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Auf Schlemmer- und KulTOUR im Baskenland

Guggenheim Museum

Olga Meier Sander/pixelio.de

Nordspanien ist mit Sicherheit eines von Europas führenden Reisezielen für Feinschmecker und auch kulturell vereint das Land hinter den Bergen an der rauen und felsigen Atlantikküste jede Menge alter und neuer Highlights, die es zu besuchen lohnt. Von Deutschland aus ist die baskische Hauptstadt Bilbao von verschiedenen deutschen Städten direkt zu erreichen. Schon der Flughafen vor den Toren der Stadt mühsam in eines der Täler gesetzt, ist für Architekturfreunde ein Hingucker. „La Paloma“ – die Taube, wird er wegen seiner markanten Form genannt, die ihm 2005 der renommierte Architekt Santiago Calatrava gab.

Nach der Ankunft loht ein Bummel durch die engen Gassen der gemütlichen Altstadt. Entlang des Flusses Nervión kommt man so unweigerlich zu dem faszinierenden, von Frank Gehry entworfenen Guggenheim-Museum, dass einen wesentlichen Anteil daran hat, dass die einstige Industriestadt seit der Eröffnung im Jahre 1997 einen Imagewechsel vollzog und sich als Stadt der Kultur entpuppte, die Kreuzfahrgäste und zahlreiche Wochenendbesucher in die Stadt zog.

Rund ums Guggenheim

Koons Puppy

alfred teske/pixelio.de

Gegen Abend weht oft ein warmer Wind von der Biskaya herüber. Man spürt das nahe Meer, denn die Luft ist feucht und schmeckt nach Salz. Die Lichter der Straßenlaternen spiegeln sich in den Fluten des Nervión. Gleich gegenüber vom Museumseingang mit der gewaltigen Puppy-Statue, einem zwölf Meter hohen „Hündchen“ aus 17.000 Blumen, liegt das Gran Hotel Domine. Das schicke Designhotel, dessen höhlenartige Innere Javier Mariscal mit schiefen Säulen und gescheckten Sesseln gestaltete, passt perfekt zu dem dekonstruktivistischen Bau Gehrys.

Gehrys Lieblingslokal während der Bauzeit war das nahe gelegene Zortziko. Dass Daniel García sich einen Stern erkochen konnte, ist auch dem Architekten zu verdanken, denn zuvor war Bilbao auch für Gastrokritiker nicht unbedingt eine Reise wert. Viele Schlote und der Gestank der Stahlwerke hielten mit Dreck, Abwässern und Lärm Touristen wirkungsvoll vom Besuch der Stadt ab. Fast 5.000 Arbeitsplätze, erfährt man von Touristikern, hängen vom Museum ab. Seitdem ist das Guggenheim Bilbao festes Vorbild von Kulturplanern, die aufzeigen wollen, dass eine Investition in Kultur auch andere Einnahmen anstoßen kann.

Heute kann Gehry auch im minimalistisch eingerichteten Museums-Restaurant Nerua auf Sterneniveau essen. Küchenchef Josean Alija verblüffte schon als Twen die Gastrokritiker mit innovativen Gerichten, wie Hummer mit kandierten Endivien mit Zitrus-Eukalyptus-Dressing oder kandierter Babysquid auf angerösteter Gemüsebrühe. Wenn man nicht schon im Museum ist, kann man auch – ums Eck von der überdimensionalen Spinne - von außen ins Restaurant gelangen und landet dann direkt in der offenen Küche, wo Alija und seine Mannschaft arbeiten.

Das alte Bilbao

Lobby Gran Hotel Domine

Christiane Nill/pixelio.de

Nicht nur Gehry verschönerte Bilbao. Andere Architekten zogen nach. Calatrava baute neben dem schon erwähnten Flughafen eine formschöne Brücke über den Fluss, die U-Bahn-Stationen wurden von Norman Foster entworfen und César Pelli baut schmucke Bürotürme in den obsolet gewordenen Containerhafen.

Doch von den Touristen kommen zwei Drittel nur wegen des Guggenheim-Museums – die anderen Bauten nehmen sie als Beiwerk hin. Im historischen Kern von Bilbao, im Bilbo Zaharra, wie er baskisch heißt, gruppierten sich im Mittelalter die Häuser eng an eng um die Kathedrale des Heiligen Santiago. Pilger auf dem Jakobsweg kamen hier vorbei und man hat noch die Chance, ein Stück von dem alten Spanien zu erleben, das aus den hektischen Metropolen Barcelona oder Madrid längst verschwunden ist.

Auch Kaffeehäuser mit Marmor, Messing und Spiegeln an den Wänden, wie das Iruña oder das La Granja findet man noch, auf deren Theken leckere Pinchos, die kleinen Appetithappen, die andernorts in Spanien Tapas genannt werden, angeboten werden und Kramerläden, sogenannte „Ultramarinos“, in denen sich der entlang der iberischen Atlantikküste so beliebte Stockfisch im Schaufenster stapelt.

Beim Spaziergang durch die Altstadt kann jeder nach eigenem Gusto fündig werden und die Pinchos mit dem typischen Txakoli, einem zitrusaromatischen Weißwein aus der autochthonen Rebsorte Hondarribi Zuri genießen. Der Wein ist nicht lang haltbar und wird vom Wirt im hohen Bogen in die Gläser geschenkt. Bacalao Pil-Pil ist eines der hiesigen Lieblingsrezepte, das sich seinen Platz in ganz Spanien und auch in den Herzen der Gäste erkämpft hat. Der Stockfisch, ein getrockneter Kabeljau, wird dazu mindestens einen Tag lang gewässert, um zu entsalzen und dann mit einer Gelatine aus Knoblauch, scharfen Pfeffer und Olivenöl gegessen. Genau das Richtige fürs Abendessen.

Bei der Puente de Colgante

Puente de Colgante

katharina bitterle/pixelio.de

Der Apfelwein Sidra ist im Baskenland – ähnlich wie im Frankfurter Raum - sehr herb. Früher deckten sich die Basken Anfang des Jahres mit einem Vorrat ein und noch heute ist es Tradition, Apfelwein aus verschiedenen Fässern zu probieren und den besten einzukaufen. Die Sidrerien öffnen von Mitte Januar bis Ostern. Zur Apfelweinprobe wird traditionell ein Menü bereitet, das den notwendigen Durst verursacht: Stockfischomelett, Stockfisch mit Paprika, Rinderkotelett und zum Nachtisch Schafkäse mit Quittengelee (Membrillo) und Walnüssen. Während des Essens trinken die Gäste direkt am Fass.

Am nächsten Morgen lohnt bei der Fahrt zum Hafenort Getxo ein Besuch der Puente de Colgante, die heute Teil des UNESCO-Weltkulturerbe ist. Mit der Schwebefähre geht es über den Fluss Nervión. Vor 120 Jahren wurde sie erbaut, um den Schiffsverkehr nicht zu behindern. Fußgänger können entweder mit der Schwebefähre nach Portugalete übersetzen oder mit dem Aufzug auf die Stahlfachwerktürme fahren und die Brücke hoch oben zu Fuß überqueren. Im Gegensatz zum günstigen Normaltarif unten (0,30 €) rechnet man dort mit den Touristen (5 €) (ab). Zurück in Bilbao heißt es dann wieder: ran an die Pinchos!

Fahrt in die Schlemmerhauptstadt San Sebastian

Tapas

Rainer Sturm/pixelio.de

Von Getxo gehrt die Fahrt entlang der malerischen Küste nach San Sebastían. Dort schlägt wirklich das Herz der baskischen Küche. Ein Bummel durch die Stadt endet meist am Stadtstrand La Concha. In den Lokalen der Altstadt kann man die lokalen Köstlichkeiten in gemütlichen Lokalen probieren. Am Ende von La Concha, am Fuße des Monte Igueldo liegt als kulturelles Highlight: der berühmte Windkamm. Riesige Eisenskulpturen, die der Bildhauer Eduardo Chillida an diese sturmumwehte Ecke seiner Heimatstadt gesetzt hat und die dort seit Jahren mit dem Wind kommunizieren.

Den besten Blick auf die Stadt hat man vom Rio Misterioso, einer in die Jahre gekommenen Geisterbahn aus dem Jahr 1912. Der Blick auf die Bucht ist einfach unglaublich. Das Herz der Stadt bildet die Plaza Constitución, auf der die vielen Balkone auffallen, die noch aus der Zeit stammen, als der Platz für Stierkämpfe genutzt wurde. Zahlreiche Cafés und Bars laden zum Verweilen ein. Lohnend ist ein Besuch von La Bretxa, dem ehemaligen Fischmarkt, in dem heute neben Fisch-, Fleisch- und Obstständen auch Modelabel eingezogen sind.

Balenciaga und die Mode

Cristóbal Balenciaga

By jaypofromvox via Wikimedia Commons

Mode wird übrigens im Baskenland ganz groß geschrieben. Im benachbarten Getaria wurde 1895 Cristóbal Balenciaga als Sohn eines Fischers und einer Näherin geboren. Durch eine adlige Förderin machte er eine Schneiderlehre und avancierte zum einflussreichen Modeschöpfer der französischen Haute Couture, der auch nach seinem Tod vor über 40 Jahren, wie es die Elle einmal formulierte, als "Perfektionist seines Handwerks und Meister aller Couturiers" gilt. Seit 2011 erinnert in seiner Heimatstadt ein eigenes Museum an ihn und seine Kreationen.


Sociedad Gastronomica

Speziell in San Sebastian kommen Freunde regelmäßig in Vereinen zum Kochen und zum anschließenden Essen zusammen. Diesen rund 150 örtlichen Sociedades Gastronómicas können traditionell nur für Männer angehören, die im eigenen Vereinslokal, mit einer großen Küche und einem Speisesaal nach persönlicher Vorliebe für sich oder mit anderen zusammen kochen, meist in ausgelassener Stimmung. Einige Mitglieder besuchen die Sociedad sogar täglich. Sogar Sternekoch Juan Mari Arzak, der am Hang über der Stadt sein stets ausgebuchtes Restaurant betreibt (Durschnittspreis ohne Getränke: 180 Euro), ist Mitglied einer solchen Vereinigung. Seit seine Tochter Elena ihn in der Küche entlastet, hat er auch wieder Zeit dort vorbeizuschauen und einfache Gerichte zu kochen.

Arzak und seine Sterneküche

Juan Mari Arzak

(c) Michael Ritter

Ein Highlight bei Arzak ist der Eichentisch in der Küche, an dem normalerweise die Köche essen und wenn man dort isst, kann man der Mannschaft auf die Finger schauen und wird mit delikaten Kleinigkeiten verwöhnt. "Ihr mögt Meeresfrüchte?" fragt der Chef nur kurz, und als keiner umgehend widerspricht, holt er von hinten die köstlichsten Meeresfrüchte, die wohl gerade noch in der nahen Biskaya waren. Percebes sind eine besondere Spezialität der Küstenregion. Bei uns hören sie auf den unschönen Namen Entenmuscheln, weil man früher glaubte, dass sich die ähnlich gefärbten Nonnengänse daraus entwickeln. Eigentlich sind es keine Muscheln, sondern kleine Krebse, die sich in der Tidezone des Meeres auf den harten Felsenoberflächen festkrallen, wo Wellen permanent gegen den Fels schlagen. Ihr Stiel ist eine teuere Spezialität und viele Fischer, die sie auch bei schwerer See von den rasiermesserscharfen Felsen schlagen, haben ihren Job schon mit dem Leben oder ihrer Gesundheit bezahlt. Juan Mari Arzak befiehlt aus eine burschikose Art mehr, als dass er fragt. Man hört den Fisch in der Pfanne brutzeln und immer wieder kommen baskische Spezialitäten, wie getrüffeltes Ei mit der gegrillten und scharf gewürzten Chistorra-Wurst auf den Tisch.

Arzak hat aus der Not eine Tugend gemacht, da die Nachfrage nach seiner Küche immens ist, und hat einige benachbarte Häuser am Hang aufsteigend über Treppen und durch enge Gänge mit dem Restaurant verbunden. Dort findet sich unter anderem sein „Labor“, wo er und Elena neue Gerichte austüffteln und der umfangreiche halbdunkle Weinkeller, in dem außer Weinen aus Frankreich und Spanien, sorgfältig ausgewählte Schätze aus aller Welt liegen – unter anderem von den Golanhöhen.

Mit Hans auf Pinchos-Tour

Wer nicht beim Sternekoch einkehrt, sondern sich in San Sebastian auf Pinchos-Tour begibt, sollte einen erfahrenen Begleiter an seiner Seite zu haben. Jemand wie Hans Harms. Der promovierte Philosoph und Sozialwissenschaftler lebt dort schon seit einem Vierteljahrhundert, ist mit einer Andalusierin verheiratet und selbst ein leidenschaftlicher Koch. „Es war am Anfang nicht ganz einfach, von den Einheimischen akzeptiert und in eine Sociedad eingeladen zu werden“, erzählt der bärtige Hüne aus Friesland mit einem Lächeln. Schnell wird klar, dass es ihm dann irgendwann doch gelungen ist, Mitglied im Aitzaki (Die Ausrede) zu werden. Frauen haben dort nur zum jährlichen Festessen Zutritt. In der Küche sind sie auch dann so unerwünscht wie Gespräche über Politik und Gourmetküche. Beruflich beschäftigt sich der 60-jährige mit Fragen des Arbeitslebens und der Migration, doch gelegentlich findet er Zeit, sein umfangreiches Wissen über Land und Leute und deren Küche mit seinen Landsleuten zu teilen. Diese baskische Version spanischer Tapas steht in den schachbrettartigen Gassen der Altstadt auf fast jeder Kneipentheke. In der Casa Alcalde schwört Hans auf den köstlichen Pata negra, in hauchdünne Scheibchen geschnittenen Schinken und dazu ein Gläschen Txakoli. Später ein paar Spieße mit der pikanten Paprikawurst Chorizo und dem baskischen Idiazabal-Schafskäse. So sieht sein sehr beliebter "Txikiteo" aus, ein Parcours für Fingerfood-Fans von Lokal zu Lokal. Auf der gekachelten Theke der Bar Zeruko haben die sympathischen Calvo-Brüder, die Hans gleich mit großem Hallo begrüßen, Pinchos aufgebaut, die auch Feinschmeckern das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. Die beiden haben vor einiger Zeit den Preis für die besten Pinchos gewonnen und servieren dort unter anderem Kabeljau auf Cava mit Chiliperlen. Aber auch sonst ist das Angebot riesig, wenn man weiß, wohin man gehen muss: Blutwurst mit Pistazie, Ei am Stiel, verschiedene Pilzvariationen - die Gastronomen lassen sich immer etwas einfallen. Kreativität steht ganz oben, wenn es darum geht die verwöhnten Gäste zu verblüffen. Doch findet man auch immer den Klassiker, der seit den vierziger Jahren nicht wegzudenken ist: Gilda, ein Spießchen mit Olive, Peperoni und Anchovis, der seinen Namen den Kurven des Anchovis um das Gemüse verdankt, die erste Genießer an die Kurven von Rita Hayworth im gleichnamigen Film erinnerten.

Sterneköche und Grillweltmeister

Martin Berasategui

Auch im Umfeld von San Sebastian gibt es einige kulinarische Tipps. Luis Aduriz vom Mugaritz im nahen Errenteria ist den Juroren bei der Kür der besten 50 Restaurants der Welt gar ein Plätzchen auf der Siegertreppe wert, direkt hinter Rene Redzepi vom Noma in Kopenhagen und den Roca-Brüdern aus dem katalonischen Girona. Arzak folgt auf Platz 8 und auch der freundliche Martin Berasategui schafft meist einen Platz auf der Liste. Ein beachtliches Ergebnis für eine Stadt mit knapp 200.000 Einwohnern. Auch der schnauzbärtige Pedro Subijana vom Akelarre über der Küste bei San Sebastian lohnt unbedingt einen Besuch und wer möchte, kann sich dort bei einem Kochkurs in die Feinheiten der baskischen Küche einführen lassen. Im Städtchen Tolosa hat Matías Gorrotxategi seinen Asador Julián. Wer ein Chuletón de buey (T-Bone-Steak) mag, wird Matías lieben, denn in dem verstaubt wirkenden Lokal geben sich nicht nur Sterneköche die Klinke in die Hand. Das Steak bekommt bei ihm pur mit einer Handvoll Meersalz auf den Grill und der Mund wird schon wässerig, wenn man riecht, wie das Fett in die Glut tropft. Zart, saftig und wunderbar kross grillt der Grillweltmeister das Fleisch und wer dazu langsam gebratene Paprika isst, ist einfach nur glücklich.

Michael Ritter, praegnant.info

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